Nadine und Jasmin im traumapädagogischenGespräch

Traumapädagogisches Gespräch mit Nadine (YRC)

Nadine arbeitet seit Mai 2020 bei Just M im Young Refugee Center (YRC) in Gruppe 3 und beantwortete mir (Jasmin) ein paar Fragen zur Traumapädagogik im YRC.

Ist dein Arbeitsplatz für dich ein sicherer Ort und was macht für dich einen sicheren Ort in der Arbeit aus?

Für mich ist mein Arbeitsplatz ein sicherer Ort. Bei Unsicherheiten oder Krisen kann ich mich immer mit meinen Kolleg*innen aus den anderen beiden Gruppen absprechen. Ich fühle mich nicht alleine gelassen, denn wir unterstützen uns eigentlich immer gegenseitig. Für mich gehört zu einem sicheren Ort auch, dass absehbare Veränderungen frühzeitig zusammen mit der Leitung besprochen werden, damit wir uns auf die neue Situation einstellen können und auch die Jugendlichen darauf gut vorbereiten können.

Wie versuchst du im Alltag Transparenz gegenüber den Jugendlichen zu leben?

Ich denke es ist wichtig, ihnen gerade am Anfang alles zu erklären, damit sie die Abläufe kennen und sie wissen, wie es weiter geht. Außerdem versuche ich immer für Rückfragen zur Verfügung zu stehen und mir auch die Zeit dafür zu nehmen, den Jugendlichen alles nochmal ausführlich zu erklären. Gegebenenfalls auch mithilfe einer Dolmetscherin oder eines Dolmetschers.

Wie schätzt du die Transparenz im Team und mit der Leitung ein?

Innerhalb des Teams würde ich sagen, dass die Transparenz sehr gut ist. Bei uns wird sehr gut dokumentiert und alles sehr ausführlich besprochen und angesprochen.

Von der Leitung würde ich mir noch mehr Transparenz wünschen. Dass wir bei Veränderungen schneller und direkter von der Leitung informiert werden. Denn wenn ich selbst keine Informationen habe, kann ich auch nicht transparent mit den Jugendlichen arbeiten.

Wie wird die Partizipation im YRC umgesetzt?

Bei meiner Bereichsleitung habe ich das Gefühl, dass ich Vorschläge einbringen kann und diese auch gehört werden.

Partizipation von den Jugendlichen ist im YRC tatsächlich ziemlich schwierig, aufgrund der besonderen Rahmenbedingungen. Wir können nur im sehr Kleinen die Partizipation leben z.B. bei der Freizeitgestaltung. Ich denke wir sollten beim Essen versuchen, die Jugendlichen mehr mitbestimmen zu lassen, z.B. indem sie sich ein Essen auswählen dürfen oder am Wochenende selbst kochen dürfen.

Erfährst du in der Arbeit Wertschätzung?

Als Betreuerin erfahre ich von den Jugendlichen schon sehr viel Wertschätzung, da die Jugendlichen sehr dankbar sind.

Ich finde es gut, wenn man eine Leitung hat, die einem zuhört und Vorschläge des Teams annimmt. Das schafft eine lockere und entspannte Atmosphäre, die sich auch auf die Jugendlichen überträgt. Dass meine Stimme, Meinung und Einschätzung von der Leitung gehört wird, hat für mich sehr viel mit einer Wertschätzung gegenüber mir zu tun. Das schätze ich an meiner Bereichsleitung sehr.

Was bedeutet der traumapädagogische Grundsatz der „Annahme eines guten Grundes“ speziell im YRC?

Ich denke, wenn man selbst viel reist versteht man, dass sich die Menschen so unterschiedlich verhalten, weil die Kulturen einfach sehr verschieden sind. Wenn ich in ein anderes Land reise, bin eher ich die komische Person. Das was du erlebt hast, wie du aufgewachsen bist, aus welchem Land du kommst usw. beeinflusst, wie du handelst. Ich sehe es als unsere Aufgabe, den Jugendlichen zu erklären, was bei uns „normal“ ist und mit ihnen in den Austausch über verschiedene Kulturen und Sitten zu kommen, ohne ihnen die deutsche Kultur überzustülpen.

Was können wir schon gut und woran sollten wir arbeiten?

Ich finde im Bereich Transparenz gegenüber den Jugendlichen und einen „sicheren Ort“ zu schaffen für uns und die Jugendlichen, sind wir schon sehr gut. Die Partizipation läuft unter den gegebenen Rahmenbedingungen sowohl mit den Jugendlichen, als auch mit der Leitung gut. Um flächendeckend nach den Grundsätzen „Annahme des guten Grundes“ und der „Wertschätzung“ zu handeln, würde ich mir wünschen, das wir uns hier gemeinschaftlich noch weiterentwickeln.

Erinnerst du dich spontan an eine Situation, in der Spaß und Freude im Vordergrund standen?

Als wir die 13 Jungen auf der Gruppe hatten, wegen der Überbelegung in Gruppe 2, entstand eine richtig schöne Atmosphäre bei uns auf der Gruppe. Die Jungs haben getanzt, gesungen, waren zusammen in der Küche, usw. Da hat irgendwie alles gestimmt. Die Mitarbeitenden waren gut drauf und die Jungs auch. Das hat richtig Spaß gemacht. Wir haben kurz zuvor eine junge Frau bekommen, die den Bundesfreiwilligendienst bei uns absolviert und uns bei der Begleitung von Außenterminen unterstützte. Da wir dann personell sehr gut besetzt waren, konnten wir unsere Aufgaben gut erledigen und zusätzlich noch einige Projekte anbieten, wie das Sportangebot von meinem Kollegen James. Dies war nur möglich, weil genügend Zeit und Personal zur Verfügung stand und somit Raum für spaßige Aktivitäten schaffte.

Wenn ich hier mit meinen Kolleg*innen viel Spaß habe und wir einfach sehr viel lachen im Alltag, dann schwappt das automatisch auch auf die Jugendlichen über. Gerade bei uns in der Erstaufnahmeeinrichtung kommen die Jugendlichen teilweise stark belastet an.

Die Jugendlichen zum ersten Mal lachen zu sehen, ist ein super schöner Moment. Ich erinnere mich an einen Jugendlichen, der sehr stark belastet wirkte und irgendwie auf mich eine Traurigkeit ausstrahlte. Als James, mein Kollege, mit ihm und anderen Jugendlichen Sport machte, hat er die ganze Zeit gelacht. Da ging mir wirklich das Herz auf. Die gute Stimmung hat alle angesteckt und die authentische Art meines Kollegen erzeugte eine super Atmosphäre.

Was ist hilfreich, wenn Jugendliche im Rahmen der bundesweiten Verteilung einen Transfer in eine andere Stadt haben?

Manchmal haben die Jugendlichen so viel Panik vor dem neuen, unbekannten Ort, dass ihnen die Sicherheit hilft, notfalls nochmal hierher zu Besuch kommen zu können. Dies ist dann i.d.R. gar nicht erforderlich, da ihr neuer Ort ja auch sicher ist. Die meisten Jugendlichen beruhigt es allerdings, wenn sie wissen, ihre neue Einrichtung ist in der Nähe von uns und sie könnten jederzeit vorbeikommen. Einfach nur, weil es ihnen ein Gefühl von Sicherheit gibt. Einzelne Jugendliche hatten so viel Angst vor dem Unbekannten, dass sie den Transfer gar nicht erst angetreten haben und weggelaufen sind.

Ich würde mir für die Jugendlichen wünschen, dass sie häufiger zusammen verlegt werden, damit sie sich gegenseitig stärken können.

Was ist die Besonderheit unserer pädagogischen Arbeit im YRC?

Die Jugendlichen kommen bei uns direkt von der Flucht an und haben eine sehr schwere und belastende Zeit gerade erst hinter sich. Deshalb finde ich es wichtig, dass wir als Erstaufnahmeeinrichtung einen „sicheren Hafen“ bieten und einen positiven ersten Eindruck hinterlassen. Den Eindruck, den wir hier vermitteln, haben die Jugendlichen mitunter von Deutschland.

Wir sind oft vielleicht die Ersten, die den Jugendlichen wirklich helfen. Ich erinnere mich an zwei Jungen. Sie waren am Anfang so still und sind zusammengezuckt, wenn ich den Arm hochgehoben habe. Nach einer Woche sind die Jungen so aufgeblüht und haben eine richtig positive Stimmung in der Gruppe erzeugt. Es war super schön zu sehen, wie sie sich entwickelt haben. Vor ihrem Transfer sagten sie zu uns: „Wir werden euch nie vergessen. Ihr wart die Ersten, die uns empfangen haben und die uns geholfen haben.“

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